Bewertung: 9/10
Sie hat eine der begnadetsten Stimmen im Heavy Metal, die niederländische Sängerin Dianne van Giersbergen. Mit ihrer betörenden Stimme sang sie wohl zwei der besten Alben von Xandria ein. Nach ihrer Trennung von den deutschen Symphonic Metallern belebte sie ihre frühere Band Ex Libris wieder. Damit ging sie zurück zu ihren Wurzeln, dem Progressive Metal, allerdings mit anderen Mitstreitern. Eine erfolgreiche Crowdfunding Kampagne ermöglichte es den Musikern ein ambitioniertes Projekt zu starten, das dreiteilige Konzept-Album “ANN”. Der erste Teil erschien im August des vergangenen Jahres. Erzählt wurde die Geschichte von Anne Boleyn, der zweiten Frau des englischen Königs Heinrich VIII. Im nun veröffentlichten zweiten Teil thematisieren die Musiker das Leben von Anastasia Nikolajewna Romanowa, also der Großfürstin Anastasia von Russland, Tochter des letzten russischen Kaiser-Ehepaares.
Obwohl das Kaiserpaar nach drei Töchtern auf einen Sohn als Thronfolger gehofft hatten, liebten sie ihr 1901 geborenes Baby und waren gut Eltern. Anastasia war ein lebenslustiges Kind und machte gerne Streiche. Das kann man auch deutlich in der musikalischen Umsetzung “The Motherland” hören. Sehnsuchtsvolle aber auch vor allem fröhliche Melodien kennzeichnen diesen Song. Russische Folklore und Chorpassagen fließen hier nahtlos ein. Man kann förmlich die Weite dieses großen Landes hören. Sie hatte ein inniges Verhältnis zu ihrem jüngeren Bruder Alexei. Dieser litt an der Blutkrankheit “Hämophilie B”. Diese hatte er von seiner Mutter geerbt. Häufig gelang es nur ihr, ihren Bruder abzulenken und zu erheitern. Aber auch sie selbst litt unter Schmerzen, wegen ihrer Rücken- und Fußprobleme. Von den Krankheiten sowie den Heilungsversuchen handelt das wesentlich düsterer klingende “The Healer”. Zum Schluss schreit sie ihren Schmerz geradezu heraus.
Als Ergebnis der Februarrevolution war ihr Vater im März 1917 gezwungen, als letzter Kaiser Russlands abzudanken. Zunächst wurde die Familie im Alexanderpalast in Petrograd (heute St. Petersburg) unter Hausarrest gestellt. Später wurde die Familie aus Sicherheitsgründen nach Jekaterinburg (Swerdlowsk) gebracht. Dort wurden sie dann nach dem Sieg der Bolschewiki (Oktoberevolution) im Juli 1918 umgebracht. Anastasia war gerademal siebzehn Jahre alt. Aber entgegen dem Songtitel “The Exil” war die Kaiserfamilie nicht ins Exil gegangen, sondern gefangen. Dementsprechend unruhig klingt der Schlusssong dieses Kapitels. Er beschreibt Flucht und Hoffnung. Die Exil-Legende hielt sich über viele Jahre hinweg und viele Frauen auf der ganzen Welt behaupteten immer wieder Anastasia Romanova zu sein. Erst 2007 konnte an einer Jahre zuvor gefundene Leiche der eindeutige Beweis erbracht werden, dass ANN schon seit fast neunzig Jahren tot war.
Erneut ist es Ex Libris gelungen, ein tragisches Frauenschicksal musikalisch einfühlsam in drei Songs umzusetzen. Auch auf “ANN – Chapter 2: Anastasia Romanova” zeigt die Sängerin DiANNe van Giersbergen eindrucksvoll, dass sie sich in das Gefühlsleben dieser jungen Frau hineinversetzen kann. Passend zum Thema sind immer wieder folkloristische Melodien zu hören. Diese Symbiose mit hartem progressiven Metal ist einzigartig. Ich bin jetzt schon gespannt, welches tragische Schicksal im dritten Kapitel (Spätsommer 2019) thematisiert wird.
Ex Libris – Exile: https://youtu.be/t2_-xa_KF8g
Lineup:
Dianne van Giersbergen – Vocals
Koen Stam – Synth & Keys
Bob Wijtsma – Guitars
Luuk van Gerven – Bass
Harmen Kieboom – Drums
Label: Selbstvertrieb
VÖ: 15. März 2019
Spieldauer: 20:38
Titelliste:
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The Motherland
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The Healer
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The Exile
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