Aus Ungarn kommen immer wieder sehr gute Rock- und Metal-Bands. Sowohl in der Vergangenheit (Omega, Locomotiv GT, Skorpió, General, …) als auch in der Gegenwart (Wisdom, Ann my Guard, Leecher, Dalriada). Zu den neuen Bands gehören aus Esperfall aus der Hauptstadt Budapest. Stellvertretend für die Band stand mir Sängerin Nóra Sima Rede und Antwort.
KoR: Hallo Nóra, ich bin Rainer und schreibe für Keep on Rocking. Danke, dass ich dieses Interview mit Dir führen kann. Wie geht es Dir?
Nóra: Hallo, mir geht es gut, danke, dass Du mit mir sprichst.
KoR: Außerhalb Deines Heimatlandes seid Ihr weniger bekannt. Stelle die Band bitte kurz vor.
Nóra: Wir sind eine Melodic Metal Band mit harschem Frauen- und Männergesang. Wir sind seit 2016 aktiv und haben mit mehr „weiblichem“ Clean-Gesang begonnen und langsam die Growling-Parts eingeführt, die unserer Musik einen großen Kontrast zwischen engelsgleichem, schwebendem Clean-Gesang mit einer gewissen zerbrechlichen Leichtigkeit und dem ursprünglichen, brutalen Growling geben. Wir versuchen, die Volatilität menschlicher Emotionen durch die Texte und die Musik einzufangen, die in einer grandiosen, komplexen Weise vielschichtig komponiert ist.
KoR: Ihr spielt symphonischen Metal, also in einem Genre, dass von vielen anderen Bands bereits besetzt ist. Wie unterscheiden sich Deiner Meinung Esperfall von anderen Bands?
Nóra: Wir haben uns eigentlich nie als Symphonic Metal Band gesehen. Diese Bezeichnung ist irgendwie bei uns hängen geblieben. Wir betrachten unsere Musik eher als Power oder Melodic Death Metal. Wir verwenden keine symphonischen Elemente in unserer Musik.
KoR: Ich hatte im einleitenden Text diverse ungarische Rockbands erwähnt. Steht Ihr in der Tradition der Bands aus der Vergangenheit? Gibt es Kontakte zwischen den aktuell aktiven Bands?
Nóra: Das ist eine sehr gute Frage und ein bisschen schwer zu beantworten, denn hier in Ungarn ist Rock oder Metal kein Mainstream-Genre. Es ist kein Wettbewerb, sondern eher eine Ehre, die Fackel der Musikszene hier zu halten. Wir treten nicht gerade in die Fußstapfen anderer Künstler, aber natürlich ist es ein fantastisches Gefühl, die Bühne mit anderen alternativen Bands zu teilen und mit Gleichgesinnten in unserer Underground-Szene hier zusammenzukommen, das hilft uns, weiterzumachen und härter zu arbeiten.
KoR: Welche Musiker bzw. Bands beeinflussen Euch in Eurer Arbeit?
Nóra: Wir alle haben unsere Favoriten, alle Bandmitglieder haben einen erstaunlich unterschiedlichen Musikgeschmack, aber Children of Bodom ist definitiv eine Band, die einen besonderen Platz in unseren Herzen hat.
KoR: Laut Encyclopaedia Metallum datiert die die Gründung der Band auf das Jahr 2016. Nach zwei EPs (2018, 2019) erschien das Debüt-Album „Origins In Darkness“ erst 2022. Hat die Produktion sich wegen der Corona-Pandemie verzögert?
Nóra: Die Pandemie hatte definitiv einen gewissen Einfluss auf die Produktion gehabt. Sowohl unsere Gesundheit als auch die Aufnahmemöglichkeiten waren stark beeinträchtigt, aber wir haben versucht, all diese Hindernisse zu überwinden und das Album so schnell wie möglich fertigzustellen. Eigentlich war das Album 2021 fertig, aber wir wollten es erst veröffentlichen, wenn die Pandemie komplett vorbei war, also mussten wir mit der Veröffentlichung noch ein Jahr warten. Das Gestalten des Covers und die Arbeit an den Bildern war für mich während des Lockdowns jedoch etwas einfacher.
KoR: Ist „Origins In Darkness“ ein Konzept-Album. Wovon handeln die Texte der einzelnen Songs?
Nóra: „Origins In Darkness – Act I.“ ist die erste Veröffentlichung einer Reihe von Konzeptalben. Unser Ziel ist es, eine Geschichte über die innere Reise zu erzählen, die eine Tragödie oder eine chronische Krankheit in uns auslösen kann. Es ist, als ob wir die Geschichte eines Trauerprozesses erzählen würden. Wo er beginnt, wie er sich entwickelt, was wir fühlen, während wir versuchen, mit der schrecklichen Situation fertig zu werden und wie wir schließlich lernen, heilen und aus dem tiefsten Tiefen zu Normalität und Kraft zurückfinden. „Origins In Darkness“ erzählt die Geschichte des verzweifelten Beginns, sich dem Schmerz und dem Verlust zu stellen.
KoR: Wie zufrieden seid Ihr mit diesem Album? Wie waren die Reaktionen von Presse und Fans?
Nóra: Ich bin sehr glücklich und dankbar für die Reaktion der Fans und das positive Feedback der Presse. Wir haben nicht erwartet, dass dieses Album so besonders wird, aber ich denke, wir haben unsere wahre Identität in diesem Prozess auf intuitive Weise gefunden. Die Pandemie-Situation hat definitiv den Klang der aufziehenden Dunkelheit und der ehrlichen Tränen im Studio verstärkt, was dieses Album in meinen Augen tatsächlich zu etwas Besonderem macht, denn wenn die Leute sich mit den Songs identifizieren und viele Dinge fühlen können, dann ist es die Kraft der Musik, die wir nutzen konnten.
KoR: Hattet Ihr inzwischen die Möglichkeit, die neuen Songs auch live zu präsentieren? Sind auch Shows außerhalb Eures Heimatlandes geplant?
Nóra: Wir haben Auftritte auf Festivals und in kleineren Veranstaltungsorten hier zu Hause. Die Situation hier in Osteuropa ist derzeit leider nicht ideal, und wir haben wegen der schrecklichen Ereignisse, die gerade passieren, Möglichkeiten verloren. Wir hoffen, dass wir unsere Spielmöglichkeiten bald erweitern können.
KoR: Habt Ihr schon Pläne für das nächste Album?
Nóra: Ich kann noch nicht so viel darüber sagen, aber unsere kommenden Songs sind in Arbeit, die Texte und das Konzept sind fertig und die Melodien fügen sich langsam zusammen. Erwarte mehr Dunkelheit und Growls. Das ist alles, was ich Dir jetzt sagen kann.
KoR: Wie läuft bei Euch das Songwriting ab? Habt Ihren einen Hauptsongwriter oder entstehen die Songs während der Probe-Sessions?
Nóra: Es gibt immer einen Haupt-Songwriter, der die Kernelemente und den Sound der Songs entwirft. Die Arrangements entstehen später und natürlich schreibt jeder seinen eigenen Teil. Die besten Ideen haben wir immer mitten in der Nacht um 3 Uhr morgens 🙂 Wenn wir zum ersten Mal einen brandneuen Song gemeinsam proben, ist das ein wirklich aufregendes und inspirierendes Ereignis voller Überraschungen.
KoR: Nóra, Du wechselst bei den Songs zwischen Klargesang und bösen Growls. Wie bringst Du diesen beiden gegensätzliche Gesangs-Stile Einklang?
Nóra: Danke für diese Frage, ich habe lange Zeit wirklich geglaubt, dass es nicht möglich ist 🙂 Ich wurde 10 Jahre lang klassisch ausgebildet und habe nicht einmal an die Möglichkeit geglaubt, dass ich das kann, selbst nach Musicals, Disney-Songs, Popsongs, geschweige denn Opern! Aber ich fühlte mich wirklich dazu berufen, es zu versuchen, und zu meiner großen Überraschung fühlten sich Oper und Growling gar nicht so unterschiedlich an, wie ich erwartet hatte, und ich war sofort Feuer und Flamme. Ich liebe Kontraste in der Stimme, und das Gefühl, dass die winzigen Veränderungen in meiner Stimmführung einen so großen Unterschied zu den ungewöhnlichen Klängen machen, die ich in den ungewöhnlichen Bereichen von mir gebe, hat mich wirklich inspiriert, so vielseitig und wild wie möglich zu klingen.
KoR: Ich bedanke mich noch einmal für dieses Interview. Möchtest du den Fans zum Schluss noch etwas sagen?
Nóra: Vielen Dank und vergesst nicht, euch unser neues Musikvideo „Nature of the Disease“ anzusehen und uns auf unseren sozialen Netzwerken zu folgen. Immer schön die Ohren steif halten!
Esperfall sind:
Nóra Sima – Vocals
Péter Wachal – Bass Guitar & Vocals
Zsombor Zathureczky – Keyboards
László Gábeli – Lead Guitar
Szabolcs Kerek – Rhythm Guitar
Attila Pécz – Drums
Discography
A Leap of Faith (EP – 2018)
The Leaf Legacy (EP – 2019)
Retreat into Dreamland (Single – 2022)
Origins in Darkness (Album – 2022)
Social Media
Facebook – https://www.facebook.com/esperfall/
Instagram – https://www.instagram.com/esperfallofficial/
YouTube – https://www.youtube.com/channel/UCoObSdLZlNl0IpR5iNkiVZA